BVSK-RECHT-AKTUELL – 27/2016

Besichtigungsklauseln beziehen sich nur auf wahrnehmbare, sichtbare Mängel der Kaufsache 
BGH, Urteil vom 06.04.2016, AZ: VIII ZR 261/14

OLG Celle schätzt Mietwagenkosten nach Fracke 
OLG Celle, Urteil vom 15.03.2016, AZ: 14 U 127/15

Kein Wertersatzanspruch für mangelhaftes Navigationsgerät nach bereits erfolgter Veräußerung des Fahrzeug
OLG Hamm, Urteil vom 22.03.2016, AZ: 28 U 44/15

Zur Erstattung der Umsatzsteuer nach wirtschaftlichem Totalschaden und Ersatzbeschaffun
AG Gießen, Urteil vom 21.04.2015, AZ: 41 C 11/15

BVSK-Newsletter RECHT KW 27/2016

Vom Tachostand abweichende höhere Laufleistung

LG Berlin, Urteil vom 01.12.2015 AZ: 19 O 17/15

Die Klägerin kaufte am 17.05.2011 von der Beklagten, einem Kfz-Handel, einen BMW X 5; der entsprechende Kaufvertrag wies einen Kilometerstand von 113.748 km aus. Der Beklagte hatte selbst das Fahrzeug am 26.03.2011 mit einem Kilometerstand von „113.000“ erworben, ließ anschließend den Fahrzeugschlüssel auslesen, was einen Kilometerstand von 113.744 km erbrachte.

Weiterlesen

Zur Erstattungsfähigkeit eines durch den Geschädigten beauftragten Zweitgutachtens

AG Erkelenz, Urteil vom 18.09.2015, AZ: 14 C 35/13

Hintergrund
Die Klägerin hatte den Schaden an ihrem unfallbeschädigten Fahrzeug zunächst durch Vorlage eines Kostenvoranschlags belegt, welcher Brutto-Reparaturkosten von 2.198,26 € auswies. Ein von der Haftpflichtversicherung beauftragter Gutachter ermittelte jedoch einen Wiederbeschaffungswert von 1.100,00 € und einen Restwert von 200,00 €. Reguliert wurde daher nur ein Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 850,00 €.

Daraufhin beauftragte die Klägerin einen eigenen Gutachter, der einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2.000,00 € und einen Restwert von 150,00 € ermittelte.

Die auf Zahlung des restlichen Fahrzeugschadens und der Sachverständigenkosten gerichtete Klage hatte Erfolg.

Aussage
Das Gericht ging von einem wirtschaftlichen Totalschaden am klägerischen Fahrzeug aus, mit der Folge, dass der Klägerin ein Wiederbeschaffungsaufwand von 1.850,00 € gemäß dem von ihr vorgelegten Gutachten zusteht.

Das von der Klägerin beauftragte Gutachten ließ nach der Überzeugung des Gerichts eine korrekte Werteermittlung erkennen.

Auch der Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe von 514,08 € wurde vom Gericht bejaht. Nach der Rechtsprechung des BGH gehören die Kosten eines Sachverständigengutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und auszugleichenden Vermögensnachteilen.

Die Klägerin durfte vorliegend die Einschaltung eines Sachverständigen angesichts der Schadenhöhe und aufgrund der fehlenden Anerkennung des von ihr eingereichten Kostenvoranschlags für geboten erachten. Insbesondere durfte sie nach Schadenüberprüfung durch einen von der Haftpflichtversicherung beauftragten Gutachter ein eigenes Schadengutachten in Auftrag geben.

Auch der Höhe nach waren die Gutachterkosten nicht zu beanstanden.

Praxis
Das AG Erkelenz schließt sich mit guten Gründen der bestehenden Rechtsprechung an, dass ein Geschädigter auch dann einen eigenen Gutachter beauftragen darf, wenn der Schädiger bzw. sein Versicherer bereits einen Sachverständigen beauftragt hat (vgl. auch AG Strausberg, Urteil vom 03.03.2015, AZ: 10 C 256/14; AG Köln, Urteil vom 16.10.2013, AZ: 265 C 200/12; AG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.05.2013, AZ: 30 C 843/12 (32)).

Verjährungshemmung bei Sachmängelansprüchen erfolgt mangelbezogen

BGH, Urteil vom 20.01.2016, AZ: VIII ZR 77/15

Hintergrund

Der Fall des BGH betrifft zwar einen Kaufvertrag über eine Ledercouch, wobei allerdings im Hinblick auf die Ausführungen zur Verjährungshemmung die Grundsätze dieses BGH-Urteils auch auf die Geltendmachung bzw. die Anzeige von Sachmängeln bei Kraftfahrzeugen übertragbar sind.

Die Klägerin des Verfahrens begehrte die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine Ledercouch, die ihr von der Beklagten am 17.12.2011 zum Preis von 2.850,00 € geliefert worden war.

Mit Anwaltsschreiben vom 29.11.2012 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zur Beseitigung vermeintlicher Mängel (gelbliche Verfärbungen, Beulen, Falten) auf.

Nach fruchtlosem Fristablauf erklärte die Klägerin am 21.12.2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Im amtsgerichtlichen Rechtsstreit (AG Saarlouis, Urteil vom 21.02.2014, AZ: 27 C 100/13) beauftragte das AG Saarlouis einen Sachverständigen, der zwar die von der Klägerin gerügten Mängel nicht bestätigen konnte, jedoch eine übermäßige Empfindlichkeit des Leders gegenüber einer Beanspruchung mit nassen Medien (fehlende „Reibechtheit“) feststellte.

Mit Schriftsatz vom 15.10.2014 forderte die Klägerin die Beklagte auch wegen dieses Mangels zur Nacherfüllung auf und stützte ihr Rückabwicklungsbegehren im weiteren Prozess auch auf diesen von ihr zunächst nicht monierten Mangel.

Hiergegen erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Sowohl das AG Saarlouis als auch das LG Saarbrücken (Urteil vom 20.03.2015, AZ: 5 S 60/14) wiesen die Klage der Klägerin wegen eingetretener Verjährung bezüglich des im Amtsgerichtsverfahren festgestellten Sachmangels (fehlende Reibechtheit) ab. Der Mangel der fehlenden Reibechtheit sei – so die Vorinstanzen – auch nicht sinngemäß bei der ursprünglichen Sachmängelrüge mit umfasst gewesen. Zum einen sei dieser Mangel noch gar nicht bekannt gewesen, zum anderen handelt es sich bei den zunächst gerügten Mängeln um ein völlig anderes Schadenbild als bei der fehlenden Reibechtheit.

Aussage
Der BGH wies unter Hinweis auf die zutreffende Begründung der Vorinstanzen die Revision der Klägerin zurück. Er führt hierzu wörtlich aus:

„Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht zu. Der einzig noch in Betracht kommende Mangel – die fehlende Reibechtheit des Leders – rechtfertigt den am 21. Dezember 2012 erklärten Rücktritt nicht, weil die Klägerin der Beklagten insoweit zuvor keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat. Der im Laufe des Rechtsstreits wegen dieses Mangels erneut erklärte Rücktritt ist gemäß § 218 BGB unwirksam, weil der hierauf bezogene Nacherfüllungsanspruch zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt war und sich die Beklagte auf Verjährung berufen hat.

1. Der am 21. Dezember 2012 erklärte Rücktritt ist unwirksam, weil bezüglich des allein vorliegenden Mangels der fehlenden Reibechtheit die Aufforderung zur Nacherfüllung erst nach Erklärung des Rücktritts erfolgt ist.

Das Recht des Käufers, wegen Mängeln der Kaufsache nach § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten, setzt nach § 323 Abs. 1 BGB voraus, dass der Käufer dem Verkäufer zuvor gemäß § 439 Abs. 1 BGB Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat. Das Nacherfüllungsverlangen der Klägerin vom 29. November 2012 bezog sich lediglich auf die von ihr ursprünglich gerügten – nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts indes nicht vorhandenen – Mängel, nicht aber auf die erst im Laufe des Rechtsstreits festgestellte fehlende Reibechtheit.

Entgegen der von der Revision unter Verweis auf Schwarze (Das Recht der Leistungsstörungen, 2008, § 19 Rn. 25; Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2015, § 323 Rn. B 83) und Dauner-Lieb (Festschrift für Canaris, 2007, Band 1, S. 143, 155 ff.) vertretenen Auffassung genügt es nicht, dass der Gläubiger überhaupt wegen eines Mangels Nacherfüllung begehrt und die dem Schuldner insoweit gesetzte Frist abgelaufen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats berechtigt dies den Gläubiger (Käufer) gerade nicht, den Rücktritt nunmehr auf bisher nicht gerügte Mängel zu stützen, zu deren Beseitigung er den Schuldner (Verkäufer) noch nicht gemäß § 439 BGB aufgefordert hat. Vielmehr ist für jeden Mangel grundsätzlich eine eigene Nacherfüllungsaufforderung notwendig (Senatsurteile vom 15. Juni 2011 – VIII ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rn. 7; vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 17; vgl. ferner Senatsurteil vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 140/12, NJW 2013, 1523 Rn. 21).

Da die Klägerin bezüglich der fehlenden Reibechtheit erst mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 Nacherfüllung verlangt hat, konnte dieser Mangel den lange zuvor – am 21. Dezember 2012 – erklärten Rücktritt nicht rechtfertigen.

2. Auch der weitere Rücktritt, den die Klägerin stillschweigend dadurch erklärt hat, dass sie ihre auf Rückabwicklung gestützte Klage im Verlauf des Prozesses auch auf den Mangel der fehlenden Reibechtheit gestützt hat, ist unwirksam.

a) Allerdings hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 auch wegen der fehlenden Reibechtheit unter Fristsetzung vergeblich zur Nachbesserung aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt war die zweijährige Verjährungsfrist für den Nacherfüllungsanspruch (vgl. § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB) jedoch bereits abgelaufen. Denn der Kaufgegenstand ist am 17. Dezember 2011 abgeliefert worden, so dass der Nacherfüllungsanspruch mit Ablauf des 17. Dezember 2013 verjährt war. Da die Klägerin sich auf die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs berufen hat, war der erst nach Verjährungseintritt erklärte Rücktritt mithin gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Verjährung des auf die Beseitigung des Mangels fehlender Reibechtheit zielenden Nacherfüllungsanspruchs nicht durch die Erhebung der ursprünglichen, am 21. Januar 2013 eingereichten Klage gehemmt worden.

aa) Die Erhebung einer Klage hemmt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 180/14, NJW 2015, 2106 Rn. 17 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Maßgebend ist damit der den prozessualen Leistungsanspruch bildende Streitgegenstand, der bestimmt wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; vgl. nur Senatsurteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 180/14, aaO mwN). Die vorliegende Klage ist aber auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache gerichtet und hat deshalb – offensichtlich – nicht den Anspruch auf Nacherfüllung wegen der fehlenden Reibechtheit zum Streitgegenstand. Dieser ist vielmehr lediglich als Vorfrage für die Wirksamkeit des Rücktritts von Bedeutung.

bb) Die Regelung des § 213 BGB führt zu keiner anderen Beurteilung der Verjährung. Zwar erstreckt diese Bestimmung eine Hemmung der Verjährung auf Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Hiervon werden die in § 437 BGB aufgeführten Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte jedoch nur insoweit erfasst, als sie auf demselben Mangel beruhen (vgl. Senatsurteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 180/14, aaO Rn. 25).

Hieran fehlt es vorliegend. Denn die Klägerin hat die begehrte Rückzahlung des Kaufpreises bei Erhebung der Klage nur auf die von ihr zunächst behaupteten Mängel (Verfärbungen, Beulen und Faltenbildungen) gestützt, so dass dadurch nur die Verjährung der sich aus diesen Mängeln wahlweise ergebenden Ansprüche gehemmt worden ist, nicht aber Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte wegen der erstmals mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 gerügten fehlenden Reibechtheit. Es bleibt somit dabei, dass die Verjährung des auf Nacherfüllung wegen fehlender Reibechtheit gerichteten Anspruchs der Klägerin mit Ablauf des 17. Dezember 2013 eingetreten ist. Dass die Klägerin die vorliegende Klage zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 2014 zusätzlich auch auf diesen Mangel gestützt hat, hat an der bereits eingetretenen Verjährung des diesbezüglichen Nachbesserungsanspruchs nichts mehr ändern können.

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Revision zur Frage der Verjährung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung wegen fehlerhafter Beratung bei Kapitalanlagen, derzufolge der Streitgegenstand einer Schadensersatzklage sämtliche einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden Prospekt- beziehungsweise Beratungsfehler umfasst und die Klage daher die Verjährung insgesamt hemmt (vgl. BGH, Urteile vom 20. August 2015 – III ZR 373/14, WM 2015, 1807 Rn. 20; vom 16. Juli 2015 – III ZR 239/14, juris Rn. 15; vom 22. Oktober 2013 – XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15 ff.; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 145; jeweils mwN).

Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass die einer Anlageentscheidung vorausgegangene Beratung bei natürlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die der Anleger der Bank vorwirft, aufgespalten werden kann. Hieraus lässt sich – entgegen der Auffassung der Revision – für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Insbesondere stellen unterschiedliche Mängel einer Kaufsache keinen einheitlichen Lebensvorgang dar und sind deshalb mehrere Streitgegenstände gegeben, wenn der Verkäufer – wie hier die Klägerin – zunächst wegen eines Mangels den Rücktritt erklärt und später auch wegen eines anderen Mangels Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt. Im Übrigen verkennt die Revision, dass es hier – mit Rücksicht auf die Regelung des § 218 BGB – entscheidend auf die Verjährung des Anspruchs auf Nacherfüllung wegen des Mangels der fehlenden Reibechtheit ankommt. Dieser ist durch die vorliegende Rückabwicklungsklage – wie oben unter II 2 b aa und bb ausgeführt – nicht gehemmt worden.“

Praxis
Bereits der Leitsatz des BGH-Urteils spricht für sich:

„Die in § 213 BGB angeordnete Erstreckung einer Hemmung der Verjährung auf Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind, erfasst die in § 437 BGB aufgeführten Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte nur insoweit, als sie auf demselben Mangel beruhen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 29. April 2015, VIII ZR 180/14, NJW 2015, 2106 Rn. 25, BGHZ 205, 151).(Rn.20)“

Dieses BGH-Urteil zeigt wieder einmal deutlich, dass es risikobehaftet ist, die Mängel nur allgemein zu bezeichnen. Jeder einzelne Mangel sollte konkret angegeben werden.

Dies hätte zwar auch den Eintritt einer Verjährung in diesem Fall des BGH zur Folge gehabt. Oftmals ist allerdings zu bemerken, dass eine allgemein gefasste Mängelrüge einen späteren konkreten Mangel nicht erfasst.

BVSK-Pressemitteilung: Wehret den Anfängen

„Schadenabwicklung auf die smarte Art“ – ein „innovatives“ Produkt der Fa. Control€xpert

Die Langenfelder Kürzungsfirma Control€xpert sieht sich selbst schon lange Zeit als Hightech-Unternehmen, das die Prozesse der Unfallschadenabwicklung in jeder Beziehung beherrscht. Insoweit verwundert es nicht, dass dieses Unternehmen die „Schadenabwicklung auf die smarte Art“ verspricht.

Die gewählten Begriffe, genauso wie die Überschriften in dem Control€xpert-eigenen Artikel „C€ EasyClaim“ verschleiern das eigentliche Ziel des Produktes. „Digitalisierung mit EasyClaim“ / „Kundenzufriedenheit inklusive“ / „Zeit, dass sich was dreht“ / „Mit Tempo in die Zukunft“ / „Effizientere interne Prozesse“ sind Begriffe, mit denen wir uns alle – zumindest auf den ersten Blick – verbunden fühlen.

Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird es der Firma Control€xpert gelungen sein, sogar das Ereignis des Unfallschadens selbst zu digitalisieren.

Ein Unfallereignis ist ein hochkomplexer Vorgang – ausgelöst durch menschliche oder technische Fehler oder durch höhere Gewalt. Die Folgen des Unfallereignisses sind schon seit Langem nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar. Hochkomplexe Fahrzeuge, Elektronik, ultrahochfester Stahl, Aluminium, Carbon sowie unterschiedliche Antriebskonzepte machen es in der Praxis unmöglich, einen Schaden nur anhand des erkennbaren Schadenbildes zu erfassen.

Ob das Schadenbild in Öl gemalt ist oder digitale Lichtbilder erstellt wurden, ändert an der komplexen Situation eines Unfallschadens nicht das Geringste. Mit Schlagworten rund um die Digitalisierung lässt man sich allerdings sehr schnell ablenken und vergisst sehr häufig dabei, dass der Unfallschaden selbst keinesfalls ein virtuelles Ereignis ist, sondern ein sehr konkretes, das keinesfalls digitalisiert werden kann. Was bedeutet also nun die Schadenabwicklung auf die smarte Art?

Zuerst einmal geht es um die Schadenmeldung des Geschädigten an die gegnerische Versicherung. Selbst der Digitalisierungsprofi Control€xpert konnte bislang nicht verhindern, dass 70 % der Betroffenen das antiquierte Telefon für die Schadenmeldung nutzen. Geschickt unterschlagen wird, dass die Meldung des Schadens gegenüber dem gegnerischen Versicherer natürlich erst möglich ist, wenn der gegnerische Versicherer auch bekannt ist.

Selbst wenn aber der gegnerische Versicherer bekannt war, ist dies nicht gleichbedeutend mit einer zügigen Regulierung, da der Versicherer häufig sogar zu Recht darauf verweisen kann, dass ihm durch den eigenen Versicherungsnehmer der Schaden überhaupt noch nicht gemeldet wurde.

Offenbar um dem Geschädigten die Wartezeit an der Unfallstelle etwas zu verkürzen, soll nun mit der Hilfe von Control€xpert eine sogenannte Schaden-App des Versicherers dem Geschädigten oder dem Versicherungsnehmer zugeleitet werden. Der Geschädigte, der sein Auto natürlich perfekt kennt und in der Regel selbst Ingenieur ist oder zumindest Fotoprofi, soll aussagekräftige Fotos von seinem Fahrzeug machen, das Fahrzeug exakt beschreiben und diese Angaben dann den Herren der Digitalisierung zuleiten.

Spätestens an dieser Stelle muss die Frage erlaubt sein, wo denn konkret eine Neuerung zu sehen ist und welchen Vorteil irgendeiner der Beteiligten hierdurch haben soll.

Die Antwort gibt Control€xpert selbst und weist darauf hin, dass nun innerhalb von zwei Stunden anhand der übermittelten Lichtbilder eine „klassische Schadenkalkulation“ inklusive Wiederbeschaffungswert und Wertminderung erstellt wird. Das Versprechen wird konkretisiert mit der Angabe, dass alle Werte innerhalb von 120 Minuten vorliegen würden. Der Hinweis auf den Klapperstorch erscheint hier naheliegend.

Man wird wohl keinesfalls davon auszugehen haben, dass eine exakte Kalkulation erstellt wird, sondern vielmehr muss man davon ausgehen, dass sich die Zahlen durch einen Abgleich mit vorhandenen Schadendaten ergeben, die durch die Datenkrake Control€xpert millionenfach gesammelt wurden.

Da die Schadenhöhe bei Control€xpert bekanntlich deutlich geringer ist als die Schadendaten in Gutachten und Kostenvoranschlägen, ist alleine schon dadurch sichergestellt, dass die Schadenaufwendungen nach diesem Modell reduziert sind.

Immer wieder überraschend ist die Dreistigkeit, mit der am Ende unverhohlen das Ziel der Reduzierung von Schadenkosten propagiert wird. Nicht nur, dass Control€xpert ohnehin bekannt für Massenkürzungen ist, sondern darüber hinaus wirbt dieses Unternehmen nun auch aktiv für die fiktive Abrechnung und suggeriert, dass innerhalb von vier Stunden der Abrechnungsbetrag bei fiktiver Abrechnung zur Verfügung stehen würde.

Spätestens jetzt müsste ein Geschädigter oder Versicherungsnehmer erkennen, dass „schnelles Geld“ ein Indiz dafür ist, dass am Ende weniger gezahlt wird. Hierfür spricht bereits die Tatsache, dass Control€xpert so aggressiv für die fiktive Abrechnung wirbt, um eher am Rande darauf hinzuweisen, dass bei konkreter Abrechnung in dem Modell C€ EasyClaim der Geschädigte eine Partnerwerkstatt des Versicherers wählen darf.

Wenn dies das „Tempo der Zukunft“ sein wird, bleibt jedenfalls der Geschädigte auf der Strecke. Auf der Strecke bleibt aber auch der qualifizierte Reparaturbetrieb, der hohe Investitionen zu tätigen hat, um hochmoderne Fahrzeuge instand zu setzen. Der Kfz-Sachverständige soll ersetzt werden durch die digitale Schaden-App. Control€xpert war es wohl immer schon klar, dass eine Schadenanalyse anhand von ein paar Lichtbildern mehr Wert ist als ein qualifiziertes Gutachten. In dem Modell ist natürlich auch kein Platz mehr für den Verkehrsrechtsanwalt, der in dieser neuen Zeit wohl nur nicht begriffen hat, dass es zu den Selbstverständlichkeiten der regulierungspflichtigen Versicherer zählt, alle Schadenpositionen vollumfänglich, freiwillig – allerdings lediglich virtuell – auszugleichen.

Es verwundert dann auch nicht mehr, dass immerhin schon vier Versicherer aus den Top 10 Interesse bekundet haben und sogar in Pilotprojekten tätig sein sollen. Offenbar hat die Württembergische Versicherung die Aufgabe übernommen, sich öffentlich als innovativer Versicherer in der digitalen Schadenwelt feiern zu lassen, der mit EasyClaim neue Kürzungsgipfel erreicht.

Es ist notwendig, dass ein Aufschrei der Entrüstung durch die Branche geht. Wer sich mit qualifizierter Unfallschadenabwicklung befasst, ganz gleich ob Kfz-Betrieb, Kfz-Sachverständige, Rechtsanwalt oder Versicherung, sollte sich nicht in Prozesse einwickeln lassen, die den hochkomplexen konkreten Unfallschaden auf Digitalschlagworte reduzieren.

Eine Pressemitteilung des:

BVSK e.V.

Verjährung von Werkstattrechnungen

AG Ansbach, Urteil vom 12.11.2015, AZ: 3 C 785/15

Hintergrund
Die Klägerin (Betreiberin einer Reparaturwerkstatt) machte vor dem AG Ansbach gegenüber dem Beklagten angeblich ausstehenden Werklohn geltend. Es ging um Reparaturaufträge im Zweitraum von Januar 2005 bis November 2007. Die Klägerin bezog sich auf mehrere Rechnungen, bezüglich welcher ein Gesamtbetrag von noch 1.700,07 € offen sei.

Mittels Schreiben vom 31.12.2005, 30.06.2006 bzw. 30.12.2007 seien die Rechnungen übersandt worden. Die Forderungen seien noch nicht verjährt, da der Beklagte durch Teilzahlungen am 28.11.2008, 30.12.2008 bzw. 21.11.2011 die Gesamtforderungen anerkannt hätte, sodass es jeweils zu einem Neubeginn der Verjährung gekommen sei.

Beklagtenseits wurde die Einrede der Verjährung erhoben. In einer Teilzahlung vom 21.11.2011 könne kein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis gesehen werden. Der Beklagte habe lediglich die Rechnungen vom 30.12.2006 und 30.12.2007 erhalten. Diese Rechnungen habe er allerdings vollständig bezahlt.

Von den geltend gemachten 1.700,07 € sprach das AG Ansbach lediglich 100,01 € zu, sodass die Klage der Werkstatt weitaus überwiegend erfolglos war.

Aussage
Das AG Ansbach ging davon aus, dass die Vergütungsansprüche in den Jahren 2005 und 2006 entstanden seien. Somit trat mit Ablauf der Jahre 2010 bzw. 2011 Verjährung ein (§ 199 Nr. 1, 195 BGB).

Daran änderte auch die Teilzahlung des Beklagten am 21.11.2011 nichts. Zwar wurde diese auf „offene Rechnungen“ geleistet, dies führe allerdings nicht zu einer anderen Beurteilung. Hier hätte nämlich die Klägerin nachweisen müssen, dass die weiteren streitigen Rechnungen (Anlagen K1 – K3) ebenfalls dem Beklagten zugegangen waren und somit von dessen Tilgungsbestimmung „offene Rechnungen“ umfasst waren.

Der auf Klägerseite angebotene Zeugenbeweis für die Versendung sei hierfür nicht ausreichend gewesen. Es gebe keine Vermutung für den Zugang von Post nach deren Versendung.

Das Urteil ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig.

Praxis

Der Fall, welchen das AG Ansbach zu entscheiden hatte, zeigt sehr schön die Schwierigkeiten des Kfz-Betriebs bei der Durchsetzung von Werklohnforderungen bei einem derart langen Hinwarten. Außerdem wird aus der Entscheidung deutlich, auf was die Werkstatt bei der Abrechnung von Werklohn achten muss. Grundsätzlich unterbricht zwar eine Teilzahlung auf eine Rechnung die Verjährung mit der Folge, dass die Frist von drei Jahren unter Umständen von Neuem beginnt.

Der Kfz-Betrieb muss allerdings den Zugang der Rechnung vor Gericht nachweisen. Nur auf eine zugegangene Rechnung kann nämlich der Schuldner Leistungen bzw. Teilleistungen erbringen. In diesem Zusammenhang hilft dann dem Kfz-Betrieb die Forderung auf „alle offenen Rechnungen“ nicht weiter.

Keine Wartepflicht des Geschädigten auf Restwertangebot des Versicherers

OLG Köln, Anerkenntnisurteil vom 30.07.2015, AZ: 3 U 46/15

Hintergrund
Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall. Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug zu dem Restwert veräußert, den der von ihr beauftragte Sachverständige in seinem Gutachten unter Zugrundelegung von drei Restwertangeboten auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hatte.

Im Berufungsverfahren war insbesondere strittig, ob die Klägerin verpflichtet war, der Beklagten vor Realisierung des Restwertes die Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot einzuholen.

Aussage
Der Senat wies die Parteien im Berufungsverfahren darauf hin, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, der Beklagten vor Verkauf des Unfallfahrzeugs die Möglichkeit zu geben, ein gegebenenfalls höheres Restwertangebot abzugeben.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 12.07.2005 (AZ: VI ZR 132/04) entschieden, dass eine derartige Pflicht nicht besteht, weil andernfalls die dem Geschädigten zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde, die ihm die Möglichkeit der Schadenbehebung in eigener Regie eröffnet und deshalb auf seine individuelle Situation und die konkreten Gegebenheiten des Schadenfalls abstellt.

Durch diese Rechtsprechung wird die Beklagte auch nicht unzumutbar benachteiligt, da ihr der Einwand bleibt, die Klägerin habe das Unfallfahrzeug zu einem zu niedrigen Preis veräußert.

Dieser Einwand war vorliegend jedoch nicht erfolgreich, da sich das von der Beklagten vorgelegte Angebot nicht auf den allgemeinen regionalen Markt bezog, sondern von einem Autohändler aus Leipzig stammte.

Die Klägerin durfte im Übrigen auf die Feststellung des Restwertes durch den Sachverständigen in seinem Gutachten vertrauen, weil es den vom BGH aufgestellten Anforderungen an ein Sachverständigengutachten entsprach (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2009, AZ: VI ZR 318/08: drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt, die konkret bezeichnet werden).

Praxis
Der 3. Senat des OLG Köln stellt klar, dass die vom 13. Zivilsenat des OLG Köln mit Hinweisbeschluss vom 16.07.2012 (AZ: 13 U 80/12) geäußerte Auffassung die Rechtsprechung des BGH nicht hinlänglich berücksichtigt. Darin war die gegenteilige Auffassung vertreten worden, es bestünde eine Wartepflicht zugunsten des Schädigers.

Reparatur eines betriebseigenen Fahrzeugs

AG Aschaffenburg, Urteil vom 22.09.2015, AZ: 126 C 2089/14

Hintergrund


Die Klägerin (Inhaberin einer Reparaturwerkstatt) ließ einen unfallbedingt eingetretenen Schaden an einem betriebseigenen Fahrzeug in ihrer eigenen Werkstatt instand setzen.

Von den hierfür in Rechnung gestellten Kosten brachte die gegnerische Haftpflichtversicherung (Beklagte) eine Händlergewinnspanne in Höhe von 15 % in Abzug.

Den Differenzbetrag machte die Klägerin vor dem AG Aschaffenburg klageweise geltend.

Aussage

Das AG Aschaffenburg entschied: Wenn die Werkstatt zum Zeitpunkt der Reparatur eines betriebseigenen Fahrzeugs auch durch Fremdaufträge ausreichend ausgelastet wäre, hat sie Anspruch auf den Schadenersatzbetrag, den sie bei Reparatur eines Kundenfahrzeugs erhalten hätte.

Einem Geschädigten, der sich gewerbsmäßig mit der Instandsetzung und Wartung von Fahrzeugen befasst, sei es nicht zuzumuten, besondere Anstrengungen dort zu machen, wo das wirtschaftliche Ergebnis nicht ihm selbst, sondern dem Schädiger zu Gute kommt.

Bezüglich der Darlegungs- und Beweislast ist das AG Aschaffenburg der Ansicht, es sei ausreichend, wenn die Werkstatt nur vorträgt, sie sei ausreichend ausgelastet gewesen. Nähere Einzelheiten seien lediglich dann erforderlich, wenn seitens der regulierungspflichtigen Haftpflichtversicherung substantiiert und nicht nur ins Blaue hinein vorgetragen wird, dass die Werkstatt zum Zeitpunkt der Eigenreparatur nicht ausgelastet gewesen sei.

Praxis

Es entspricht der herrschenden Rechtsprechung, dass eine Werkstatt, die zum Zeitpunkt der Reparatur eines betriebseigenen Fahrzeugs vollständig ausgelastet war, den vollen Schadenersatz beanspruchen kann und ein Unternehmergewinnabzug dann nicht gerechtfertigt ist. Nicht einheitlich ist die Rechtsprechung bezüglich der Frage, wer die volle Auslastung der Werkstatt zu beweisen hat. Das AG Aschaffenburg hält es für ausreichend, wenn die Werkstatt vorträgt, sie sei ausreichend ausgelastet gewesen.

Für die Werkstatt, die ihre eigenen Fahrzeuge repariert, ist es empfehlenswert, gegenüber der gegnerischen Versicherung bei der Geltendmachung des Schadens vorsorglich Ausführungen zur Auslastung der Werkstatt zum Zeitpunkt der Reparatur des eigenen Fahrzeugs zu machen.

Mietwagenkosten – Anforderungen an die Erkundigungspflicht des Geschädigten

Hintergrund

Das LG Ansbach entschied als Berufungsinstanz einen Fall, bei welchem die Klägerin (ein vorsteuerabzugsberechtigtes Unternehmen) nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall einen Ersatzwagen anmietete. Der Unfall wurde durch ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Quad am 15.08.2013 verursacht.

Die Klägerin mietete bei einem regionalen Autovermieter bereits am 16.08.2013 einen Mietwagen an, um den Ausfall des verunfallten Fahrzeugs zu überbrücken. Angemietet wurde vom 16.08.2013 bis 28.08.2013. Für ein Fahrzeug der Mietwagenklasse 8 berechnete der Autovermieter 2.102,40 € netto. Der Mietwagen wurde seitens des Autovermieters zum Autohaus am Firmensitz der Klägerin verbracht und auch wieder abgeholt.

Vorgerichtlich erkannte die Beklagte lediglich Mietwagenkosten in Höhe von 844,54 € an. Die hiernach vor dem Amtsgericht erhobene Klage war in Höhe von 405,88 € erfolgreich. Das Amtsgericht schätzte unter Berücksichtigung pauschaler Aufschläge anhand des Fraunhofer-Marktpreisspiegels.

Hiergegen ging die Klägerin in Berufung und berief sich auf den Umstand, dass vor der Anmietung mehrere Vergleichsangebote bei anderen regionalen Anbietern eingeholt worden waren, welche allerdings keine wesentlich günstigeren Tarife beinhalteten. Die Vergleichsangebote wurden durch den Autovermieter für die Klägerin eingeholt.

Vorgelegt wurde im Prozess ein Screenshot der Internetseite der Firma Sixt, aus welchem sich ergab, dass zum Zeitpunkt des 16.08.2013 um 08:00 Uhr und auch um 11:30 Uhr kein Mietfahrzeug der gewünschten Kategorie bei der regionalen Anmietstation zur Verfügung stand.

Weiterhin wurde ein Screenshot der Fa. Europcar vorgelegt. Aus diesem ergab sich ein Tagestarif in Höhe von 169,98 € für ein Fahrzeug der angemieteten Mietwagenkategorie.

Klägerseits wurde argumentiert, dass damit zum einen die Klägerin ihren Erkundigungspflichten nachgekommen wäre und zum anderen sich aus den Auskünften der Anbieter Sixt bzw. Europcar ergeben hätte, dass die Zahlen des Fraunhofer-Marktpreisspiegels nicht zutreffen können. Das Berufungsgericht folgte dieser Argumentation allerdings nicht und wies die Berufung kostenpflichtig zurück. Allerdings wurde die beantragte Revision ausdrücklich zugelassen. Das Urteil ist also zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig.

Aussage

Das LG Ansbach war der Ansicht, dass unter dem Aspekt der subjektbezogenen Schadenbetrachtung die entstandenen Mietwagenkosten nicht erstattungsfähig seien.

Unabhängig von der Frage, ob die Einholung von Vergleichsangeboten der Mietwagenfirma überlassen werden könne, rechtfertige sich nach der Auffassung der Kammer vorliegend nicht der von der Klägerin gezogene Schluss, dass dieser kein Mietwagen einer vergleichbaren Kategorie zu einem geringeren Preis zur Verfügung gestanden habe.

Die Kammer verkenne nicht, dass die Klägerin nicht zu einer Markterforschung in Bezug auf verfügbare Mietwagenangebote verpflichtet sei. Allerdings habe im konkreten Fall der Anmietung bereits eine Anmietdauer von weit mehr als einer Woche im Raum gestanden. Außerdem hätte von der Klägerin die Einholung zweier weiterer Mietwagenangebote erwartet werden können.

Es sei allgemein bekannt, dass bei Anmietung über einen Zeitraum von einer Woche und mehr regelmäßig günstigere Wochenpreise zur Anwendung kämen. Die Klägerin hätte somit nicht nur Tagestarife abfragen dürfen. Letztendlich hätten Wochenpreise der Konkurrenzunternehmen abgefragt werden müssen. Somit sei das Amtsgericht zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten berechtigt gewesen, die Schätzgrundlage des Fraunhofer-Marktpreisspiegels wurde als geeignet bestätigt.

Auch spreche der Vortrag auf Klägerseite nicht gegen die generelle Geeignetheit des Fraunhofer-Marktpreisspiegels. Dieser weise bezüglich der hier maßgeblichen Fahrzeugklasse einen Tagesmittelwert von 133,72 € aus. Der von Europcar benannte Preis von 169,98 € liege zwar darüber, allerdings wiederum unterhalb des Maximums des Fraunhofer-Marktpreisspiegels von 178,00 €. Das LG Ansbach sah also keinen Anlass gegeben, von der Schätzgrundlage des Fraunhofer-Marktpreisspiegels im konkreten Fall abzuweichen.

Bestätigt wurden seitens des LG Ansbach zusätzliche Kosten für die Haftungsreduzierung. Der Fraunhofer-Marktpreisspiegel berücksichtige Tarife mit einer Selbstbeteiligung in der Haftungsreduzierung von 750,00 € bis 950,00 €. Im konkreten Fall lag die Selbstbeteiligung bei lediglich 500,00 €. Die Mehrkosten für die Reduzierung der Selbstbeteiligung in der Haftungsreduzierung schätzte das LG Ansbach auf 10,00 € netto täglich.

Außerdem sprach das Gericht Zuschläge für das Automatikgetriebe und die Zustell- und Abholkosten zu. Einen Eigenersparnisabzug in Höhe von 3 % hielt das LG Ansbach trotz einer (längeren) Anmietdauer von 13 Tagen für völlig ausreichend.

Praxis

Das Berufungsurteil des LG Ansbach beschäftigt sich mit Problemen der Mietwagenrechtsprechung, welche noch weitgehend ungeklärt sind. Hier liegt eine Chance für die Autovermieter begründet, zukünftig Mietwagenkosten unabhängig von der heftig umstrittenen Frage, nach welcher Schätzgrundlage diese zu ermitteln sind, durchzusetzen.

Ausgangspunkt der Argumentation ist, dass der Fraunhofer-Marktpreisspiegel im Hinblick auf die zweistelligen Postleitzahlenregionen ausschließlich auf den Daten sechs überregional tätiger Anbieter beruht. Hierzu gehören auch die Anbieter Europcar, AVIS und Sixt.

In der Praxis kommt es durchaus vor, dass Anrufe des Geschädigten bei diesen Anbietern vor der Anmietung ergebnislos bleiben und konkrete Tarife nicht benannt werden können. Entweder erhält der Geschädigte telefonisch überhaupt keine Auskunft oder es werden ihm Tarife benannt, welche nicht wesentlich günstiger bzw. sogar teurer sind als diejenigen des Schwacke-Automietpreisspiegels.

Eine Auskunft wird überhaupt nur dann erteilt, wenn der Interessent den Namen und die Schadennummer der eintrittspflichtigen Versicherung mitteilt. Dann kann selbstverständlich keinesfalls mehr davon die Rede sein, dass es sich bei den dann angebotenen Tarifen um solche des freien Marktes handelt, welche dem Geschädigten auch unmittelbar zugänglich sind.

Im konkreten Fall hielt das LG Ansbach die Ergebnisse derartiger Erkundigungen für durchaus relevant. Allerdings monierte es, dass eben nur Tagestarife abgefragt wurden. Hier muss sich das LG Ansbach die Frage gefallen, wieso ein Geschädigter, welcher noch nicht einmal das Gutachten zum Unfallschaden vorliegen hat, ins Blaue hinein einen Wochentarif abfragen soll, obwohl ihm noch gar nicht die exakte Anmietdauer bekannt ist.

Es stellt sich dann weiter die Frage, ob der Geschädigte nach Ablauf einer Woche zu ähnlich günstigen Konditionen einen Ersatzwagen bekommt. Unter Umständen müsste der Geschädigte dann von Neuem anfangen, sich nach Tarifen zu erkundigen und zu vergleichen.

All dieser Aufwand ist dem Geschädigten doch gar nicht zumutbar. Die Entwicklung der Rechtsprechung in dieser Frage bleibt allerdings abzuwarten.

BGH zur Frage der Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs liegen

BGH, Urteil vom 02.06.2015, AZ: VI ZR 387/14

Hintergrund

Erneut musste sich der BGH mit den Grenzen der Reparatur im Rahmen der sogenannten 130 %-Grenze befassen.

Der Sachverständige ermittelte nach einem KH-Schaden Reparaturkosten von knapp 3.000,00 € bei einem Wiederbeschaffungswert von 1.600,00 €.

Der Geschädigte ließ anschließend sein Fahrzeug mit gebrauchten Teilen zu Reparaturkosten, die minimal unterhalb der 130 %-Grenze lagen, reparieren.

Die regulierungspflichtige Versicherung erstattete lediglich den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert).

Mit der Klage begehrte der Geschädigte die Differenz zu den tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten.

Aussage

Die Entscheidung des VI. Senats des BGH ist grundsätzlich nachvollziehbar und bestätigt die Rechtsprechung der Vergangenheit zu sogenannten 130 %-Fällen.

Erneut bestätigt der BGH, dass der Geschädigte berechtigt ist, sein Fahrzeug mit gebrauchten Teilen instand zu setzen, wenn hier durch die sogenannte 130 %-Grenze nicht überschritten wird. In diesen Fällen hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der vollen Reparaturkosten – allerdings unter der Voraussetzung, dass sach- und fachgerecht exakt nach den Vorgaben des Gutachtens repariert wird.

Der BGH bestätigt in der Entscheidung noch einmal, dass der Geschädigte durchaus berechtigt ist, die Reparatur mit gebrauchten Teilen durchzuführen, auch um eine Reparatur im Rahmen der 130 %-Grenze zu erreichen. Erfreulicherweise macht der BGH aber deutlich, dass zuerst einmal die Einschätzung des Sachverständigen, der in dem streitgegenständlichen Fall die Reparaturkosten mit über 180 % des Wiederbeschaffungswertes kalkuliert hatte, entscheidend ist. Offenbar ohne Rücksprache mit dem Sachverständigen hatte der Geschädigte die Reparatur in Auftrag gegeben, sodass eine Kalkulation des Sachverständigen unter Verwendung gebrauchter Teile nicht vorlag.

Ob auch ohne nochmalige Einschätzung des Sachverständigen der Geschädigte berechtigt ist, eine Reparatur unter Verwendung gebrauchter Ersatzteile zu veranlassen, ist vorliegend durch den BGH nicht entschieden worden. Zumindest aber spricht vieles dafür, dass der BGH den Feststellungen eines Sachverständigen entscheidende Bedeutung beimisst.

Insoweit deckt sich die Entscheidung auch mit Empfehlungen des BVSK, dass der Sachverständige in Fällen, in denen der Geschädigte eine Reparatur des Fahrzeuges mit gebrauchten Teilen beabsichtigt, eine sogenannte Alternativkalkulation anfertigen sollte, bei der auch geprüft wird, ob die gebrauchten Teile verfügbar sind und ob mit gebrauchten Teilen ein vollständiger Reparaturerfolg erreicht werden kann.

In dem jetzt entschiedenen Fall war gar nicht entscheidungsrelevant, ob die gebrauchten Teile hätten verwendet werden dürfen oder nicht, sondern in dem konkreten Fall fehlte es bereits an einer sach- und fachgerechten Reparatur nach den gutachterlichen Vorgaben des Erstgutachtens.

Insoweit entschied der BGH folgerichtig, dass der Ausnahmetatbestand der Reparatur im Rahmen der 130 %-Grenze vorliegend nicht gegeben sei.

Insgesamt stärkt die Entscheidung nochmals die Position des Sachverständigen im Rahmen der Schadenfeststellung bei einem KH-Schaden.

Praxis

Liegen die kalkulierten Reparaturkosten unter Verwendung beispielsweise des Stundenverrechnungssatzes einer fabrikatsgebundenen Werkstatt und bei Verwendung von Neuteilen oberhalb der 130 %-Grenze und beabsichtigt der Geschädigte gleichwohl eine Reparatur des Fahrzeuges, sollte er immer durch den Sachverständigen prüfen lassen, ob bei Verwendung gebrauchter Teile die Reparatur im Rahmen der 130 %-Grenze möglich ist. Der Sachverständige sollte in diesen Fällen eine verbindliche Alternativkalkulation fertigen.