Restwertangebot der Versicherung muss nicht abgewartet werden

AG Kulmbach, Urteil vom 08.05.2014, AZ: 70 C 678/13

Hintergrund
Die Klägerin erlitt am 14.06.2013 einen unverschuldeten Verkehrsunfall und beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Schadengutachtens. Sie rechnete den Schaden aufgrund des Gutachtens vom 18.06.2013 auf Totalschadenbasis (Wiederbeschaffungswert: 7.350,00 € abzüglich Restwert: 2.500,00 € entspricht Wiederbeschaffungsaufwand: 4.850,00 €) ab und verkaufte am 20.06.2013 ihr Unfallfahrzeug zum höchsten der drei durch den Sachverständigen ermittelten Restwertangebote (2.500,00 €) an einen örtlichen Mazda-Händler, bei dem sie auch ein Ersatzfahrzeug erwarb.

Mit Schreiben vom 27.06.2013 übermittelte die beklagte Haftpflichtversicherung des Unfallgegners der Klägerin ein Restwertangebot in Höhe von 3.300,00 € und rechnete den Schaden auf Grundlage dieses Angebotes ab (Wiederbeschaffungswert: 7.350,00 € abzüglich Restwert: 3.300,00 € entspricht Wiederbeschaffungsaufwand: 4.050,00 €).

Die Differenz in Höhe von 800,00 € machte die Klägerin u.a. erfolgreich gerichtlich geltend.

Aussage
Das AG Kulmbach ging auf die Frage, ob die Geschädigte ein Restwertangebot der Versicherung abwarten oder gar abfragen müsse, gar nicht erst im Detail ein. Das AG verweist auf die insoweit ausreichend deutliche BGH-Rechtsprechung, wonach ein Geschädigter sich auf drei am regionalen allgemeinen Markt eingeholte Angebote verlassen darf. Eine eventuelle Wartepflicht auf Angebote der Versicherung lässt sich dieser BGH-Rechtsprechung beim besten Willen nicht entnehmen. Sie würde der Wertung des BGH klar widersprechen.

Das AG Kulmbach führt aus:

„Der Wiederbeschaffungsaufwand errechnet sich hier unter Zugrundelegung des im Gutachten des Sachverständigen XXX vom 18.06.2013 ermittelten Wiederbeschaffungswertes (differenzbesteuert) in Höhe von 7.350,- EUR abzüglich des in dem Gutachten aufgeführten Restwertes mit Mehrwertsteuer in Höhe von 2.500,- EUR, mithin auf den klägerseits in Ansatz gebrachten Betrag von 4.850,- EUR.

Im Bereich der Rechtsprechung zur Restwertproblematik ist der Kreis der für den Geschädigten relevanten, zu berücksichtigenden Restwertaufkäufer eingeschränkt. Bei der Ermittlung des für den Geschädigten relevanten Restwertes stellte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12.07.2005, AZ: VI ZR 132/04 auf den regionalen allgemeinen Markt ab.

Maßgeblich ist ein Restwert, den der Geschädigte bei einem Kfz-Betrieb seines Vertrauens in seiner Region bzw. bei einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler erhalten würde.

Die Eingrenzung der für den Geschädigten maßgeblichen Restwerte bestätigt der Bundesgerichtshof zuletzt in seiner Entscheidung vom 13.10.2009, AZ: VI ZR 318/08. Der Sachverständige hat den maßgeblichen Restwert aus der Sicht des Geschädigten am regionalen allgemeinen Markt zu ermitteln.

Diesen Anforderungen hat das vorgelegte Gutachten vom 18.06.2013 genügt.

Auf Seite 9 und 10 des Gutachtens sind Restwertangebote aufgeführt des Autohauses XXX: 2.500,- EUR, des Autohauses XXX: 2.450,- EUR sowie des Autohandel XXX: 2.210,- EUR.

Im Urteil vom 13.01.2009, AZ: VI ZR 205/08 führt der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Restwertproblematik aus, dass der Geschädigte sich nicht auf Angebote von Sondermärkten, etwa durch Einschaltung spezialisierter Restwertaufkäufer über das Internet, verweisen lassen muss.

Die Klägerin durfte, da im Schadensgutachten des Sachverständigen XXX der Restwert auch korrekt unter Erholung von drei Restwertangeboten auf dem regionalen Markt ermittelt worden ist, ohne sich vorher mit der Beklagten verständigen zu müssen, zu dem höchstbietenden Restwert laut Gutachten verkaufen.

Die Klägerin war als Geschädigte Herrin des Restitutionsgeschehens. Sie darf damit grundsätzlich selbst bestimmen, wie sie mit der beschädigten Sache verfährt.

Die Klägerin hat dem „Gebot der Wirtschaftlichkeit“ Genüge getan, indem sie ihr beschädigtes Fahrzeug zu dem höchsten im Gutachten aufgeführten Preis veräußert hat.
(AG Kulmbach, Urteil vom 08. Mai 2014 – 70 C 678/13 –, Rn. 50, juris).“

Praxis
Das AG Kulmbach schließt sich der überwiegend herrschenden Rechtsprechung an, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, ein Restwertangebot der Versicherung abzuwarten. Er ist berechtigt, sofern ihm keine höheren Restwertangebote bekannt sind bzw. aus seinem Wissen heraus die mitgeteilten Restwertangebote als zweifelhaft erkennbar sind, eine Veräußerung sofort vorzunehmen.

Kfz-Haftpflichtschaden – Kosten der Fahrzeugreinigung sind zu ersetzen

AG Bochum, Urteil vom 09.12.2014, AZ: 68 C 305/14

Hintergrund

Der Kläger erlitt am 08.02.2014 in Bochum einen Verkehrsunfall. Die Eintrittspflichtigkeit der Beklagten (Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners) dem Grunde nach standfest.

Zur Ermittlung des Unfallschadens holte der Kläger ein Sachverständigengutachten ein,welches Reinigungskosten nach durchgeführter Reparatur in Höhe von 42,48 € auswies. Das Fahrzeug wurde konkret repariert,die Reparaturrechnung beinhaltete Reinigungskosten von 42,48 €.

Die Beklagte verweigerte vorgerichtlich die Regulierung dieses Schadens mit der Behauptung dieser Betrag sei grundsätzlich in den Arbeitszeiten der Herstellerrichtlinien bei den Lackierkosten enthalten.

Das AG Bochum sah dies anders und gab der Klage vollumfänglich statt.

Aussage

Das AG Bochum ging nicht näher darauf ein ob die Kosten der Fahrzeugendreinigung bereits in den Arbeitszeiten der Herstellerrichtlinien zu den Lackierkosten enthalten waren. Hierauf kam es nach der Ansicht des AG Bochum überhaupt nicht an. Hierzu führte das AG Bochumaus:

„Denn das Prognoserisiko trägt bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur der Schädiger (Palandt, 73. Auflage,§ 249 Rn. 13) und damit auch die Haftpflichtversicherung des Schädigers. Sie haftete daher auch für erfolglose Reparaturversuche und nicht notwendige Aufwendungen, sofern der Geschädigte die getroffenen Maßnahmen als aussichtsreichansehen durfte. Eine Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten Werkstattverursacht worden sind (Palandt, a.a.O.). Dass dem Kläger vor dem Reparaturauftrag bewusst gewesen wäre, dass möglicherweise die Kosten der Endreinigung nicht gesondert abzurechnen wären, trägt die Beklagte weder vor, noch ist dies ersichtlich.“

Praxis

Im Ergebnis ist die Entscheidung des AG Bochum richtig. Die Begründung überrascht allerdings. Das AG Bochum setzte sich gar nicht mit der Frage auseinander, obentsprechende Endreinigungskosten in den Arbeitszeiten der Herstellervorgaben enthaltensind. Dies spiele gar keineRolle. Der Geschädigte kann dennoch die seitens der Werkstatt abgerechneten Reparaturkosten als Schadenersetzt verlangen. Diese Argumentation ist auch auf andere Schadenpositionen übertragbar. Es kommt eben nicht nur darauf an, ob bestimmte Reparatur-, Sachverständigen- bzw. Mietwagenkosten erforderlich waren, sondern darüber hinaus ist entscheidend, ob dem Geschädigten vorab bewusst war, dass Kosten in konkreter Höhe nicht ersetzbar sind. Diese Rechtsprechung schützt den Geschädigten und ist vor diesem Hintergrund ausdrücklich zu begrüßen.

 

Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit nur mit konkretem Angebot

AG Potsdam , Urteil vom 14.11.2013, AZ: 24 C 408 /12
 
Hintergrund

 

Der vom Kläger beauftragte Sachverständige ermittelte erforderliche Reparaturkosten in Höhe von ca. 3.900,00 € netto. Nachdem die Beklagte hiervon lediglich ca. 2.900,00 € erstattet hatte, begehrt der Kläger nunmehr Ersatz der restlichen Reparaturkosten auf fiktiver Basis. 
 
Die Beklagte hatte die Forderung des Klägers mit dem Argument gekürzt, eine Reparatur bei einem konkret benannten Reparaturbetrieb sei zu einem günstigeren Preis möglich.
 
Aussage

 

Das AG Potsdam gab der Klage vollumfänglich statt. Die Beklagte durfte den Kläger nicht auf die angegebenen Referenzwerkstätten verweisen.
 
Für die Zumutbarkeit der Verweisung bei Gleichwertigkeit einer günstigeren Reparatur im Referenzbetrieb mit der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt ist die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Schädigers in vollem Umfang darlegungsbelastet. Dieser Darlegungs – und Beweislast ist die Beklagte nicht nachgekommen.
 
Die behauptete Gleichwertigkeit hätte durch Vorlage konkreter Kostenvoranschläge der Werkstätten belegt werden müssen.  
 
Die Geschäftsführer der benannten Werkstätten, welche häufig als Referenzwerkstätten für die Versicherung benannt werden, waren als Zeugen geladen. Beide Zeugen konnten keine Angaben dazu machen, zu welchem Preis das klägerische Fahrzeug tatsächlich dort hätte
repariert werden können. Eine vorherige Anfrage der beklagten Haftpflichtversicherung war in den Betrieben jedenfalls nicht erfolgt.
 
Die rein mathematische Neuberechnung des vom Geschädigten eingereichten Gutachtens mittels Einsetzen eines niedrigeren Wertes für die Stundenverrechnungssätze stellt keinen zulässigen Verweis auf eine konkret bestehende Möglichkeit zur Durchführung einer ganz bestimmten Reparatur zu günstigeren Bedingungen dar.
 
Das AG Potsdam hielt die UPE – Aufschläge und die Verbringungskosten im Rahmen der fiktiven Abrechnung für ebenfalls erstattungsfähig, da diese in der Region im Reparaturfall typischerweise erhoben werden.
 
Praxis

 

Das AG Potsdam hält im Fall einer Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit die Vorlage eines konkreten Angebotes für erforderlich. Alleine anhand des Namens und der  Stundenverrechnungssätze kann der Geschädigte regelmäßig nicht erkennen, ob
die angegebene Werkstatt tatsächlich in der vom Sachverständigen vorgesehenen Art und Weise repariert.
 
Eine Information des:

BVSK e.V. Information für Kfz-Reparaturbetriebe

Wettbewerbsrecht in der Praxis – Tipps zum korrekten Werben.

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